Mittwoch, 25. April 2007

Wortezimmer Aktuell: Polizistenmord in Heilbronn

Eigentlich sollte ich gerade meiner "journalistischen Pflicht" (Zitat K.O.E.) nachkommen und im "New Bukowski", dem lokalen Treff für Türsteher nach Schichtende dicke Luft mit Zivilpolizisten teilen und jungen Möchtegern-Gangstern beim Adrenalin-Contest am größten Tag ihrer frühen Lehrjahre zusehen. Wenn dort noch nichts los sein sollte, für gewöhlich geht es dort frühestens gegen ein Uhr zur sache, könnte ich die zwei Minuten Fußweg zum Hafenstraße-Puff in Kauf nehmen und dort versuchen, die Hells-Angels-Angestellten zu interviewen. Alternativ könnte ich im "La Pyramide" einer bunten Mischung aus arabischen und russischen Zuhältern beim Würfeln näherkommen und die hervorragenden Weinblatt-Röllchen dort genießen. Dumm nur, daß die unverzichtbare Geldkarte im Auto meiner Eltern, also in Flein liegt und Heilbronn hermetisch abgeriegelt ist.Das ist insofern schade, da die Polizei hier mit einer solchen Energie zur Werke geht, daß die Täter wahrscheinlich bereits morgen auf dem Kiliansplatz gehängt werden. Alle Straßen aus Heilbronn sind komplett gesperrt. Der LKW-Fahrer, den ich auf meinem Heimweg um halb neun (per Fahrrad, dem Geiz sei Dank) sprach, meinte, er stünde seit halb drei und freute sich über den leckeren Duft des Döner, welchen er sich in aller Ruhe besorgen konnte. Ich empfahl ihm seinem Typ entsprechend den Food-Court, solle er die Nacht in Heilbronn verbringen müssen und wurstelte mich unbemerkt durch eine massive Kontrolle in meiner Straße. Drei Hubschrauber sind im Einsatz, das technische Hilfswerk war auch da und die freundlichen Beamten, die ich, nun mit Fotoapparat und Bier ausgestattet, wiedertraf, wiesen meinen höflich vorgetragenen Interviewwunsch doch eher schroff ab ("Was wolled sie denn!!! Nein, hier gehts ned durch!! NEIN!!"). Jedenfalls hätte ich ganz gerne heute meinen wöchentlichen Tag frei gehabt, war aber schon Montag in Stuttgart zum Anlaß des Tokio-Hotel-Konzerts(Folge eins von "Rubinsky in Gefahr" folgt demnächst). Heute brennt hier die Luft, und daß es schnell vorbei sein könnte, zeigt mir ganz aktuell der Umstand, daß, während ich schreibe, die Straßensperre der B27 aufgehoben wurde und der Verkehr wieder fließt. Strategischer Schritt, Konzession an die eingepferchten Normalbürger oder Fahndungsergebnis? Ich würde auf letzteres wetten. Bleibt die Frage nach dem bisher völlig unklaren Motiv. Ich sehe zwei Haupt-Möglichkeiten. Vor ca. einer Woche hat die hiesige Polizei ihre jüngsten weitgehenden Maßnahmen gegen die Drogenszene mit einem dicken Artikel in der Heilbronner Stimme gefeiert, inklusive großformatigem Bild dreier Ordnungshüter vor dem öffentlichkeitswirksam von Junkies gesäuberten Friedenspark. Von zahlreichen Haftbefehlen und Anzeigen gegen Dealer war die Rede. Somit liegt ein Racheakt nahe. Möglichkeit zwei: Total kaputte Kids haben spontan Bock auf Mord. Wer Heilbronn kennt, weiß wie wahrscheinlich dieses absurde und abstoßende Szenario ist. Zwei Dinge stehen fest: Heilbronn ist jetzt in aller Munde. Und ein Dreckloch.